Dienstag, 25. Oktober 2011

Die Reise des Mujaheddin

Oft reicht ein kleiner Funke um ein Lauffeuer zu verursachen, dass sich durch die ganzen umliegenden Wälder frisst und diese nachhaltig zerstört und verändert.

Es ist heutzutage keine Seltenheit mehr, dass Menschen aufgrund medialer Darstellungen Vorurteile und Meinungen über Länder haben, ohne je dort gewesen oder geschichtlich informiert zu sein.

Dabei haben die Länder, die man uns als verteufelt und fremd vorsetzt meist mehr Parallelen zu unsererem Weltbild und unserer Geschichte als man meinen mag.


Dies ist die Geschichte von   
Ahmad Schah Massoud
 (أحمد شاه مسعود)

Massoud wird am 1. September 1953 in Panjshir, einer kleinen Provinz im Nordosten Afghanistanz geboren. Seine Kindheit verläuft nicht viel anders als die anderer afghanischer Provinzkinder.

Ähnlich wie damals der junge Ché ist Massoud im Alter von 20 Jahren Student, als er sich Anfang der 70er Jahre erstmals mit den politischen Unruhen im Land und den dazugehörigen Parteien auseinandersetzt. Die afghanische Bevölkerung ist unzufrieden mit ihrem als korrupt geltenden König und immer mehr Protestbewegungen bilden sich im Land.
Massoud schließt sich der islamischen und antikommunistischen Bewegung an und  musste nach einem erfolglosen Putschversuch nach Pakistan fliehen, wo er seine militärische Ausbildung genoß.
Nach seiner Rückkehr trat er allerdings für einen friedlichen Umsturz ein und kritisierte gewaltsames Vorgehen.
Zwischenzeitlich waren es die Anhänger der "People´s Democratic Party of Afghanistan" denen der durch Moskau unterstütze Putsch 1978 gelang.
Afghanistan war aus russischer Sicht eine strategische Eroberung in den letzten Zügen des alten Krieges geworden, Ölreserven waren wie sooft das Schlüsselwort.

Doch die afghanische Bevölkerung war keineswegs zufrieden mit diesen Entwicklungen, zumal die kommunistisch orientierte Führung eine Schreckensherrschaft etablierte und Hunderttausende Afghanen umbrachte.

1979 marschierten sowjetische Truppen in Kabul ein um Herr der Lage zu werden und markierten somit den Anfang des Sowjetisch-Afghanischen Krieges.

Interessant ist hier, dass Bin Laden genau wie Massoud Widerstandskämpfer war. Im Zuge des kalten Krieges versuchten die USA und Sowjetunion zwar direkte Konflikte zu vermeiden, scheuten sich aber nicht in kriegerischen Auseinandersetzungen mit dritten die jeweilige Gegenseite zu unterstützen.
So wie die Sowjetunion im Vietnamkrieg die Vietcong unterstütze, tat dies Amerika bei den antikommunistischen Mujaheddinkämpfern.



Massoud war eine der Schlüsselrollen in diesem Krieg. Bis zum Abzug der sowjetischen Truppen 1989 verteidigte er mit seinem Trupp sein Heimatdorf Panjshir und wurde unter Kameraden "Der Löwe von Panjshir" genannt.

Es folgte ein afghanischer Bürgerkrieg, in dem viele verschiedene Parteien für sich die Macht beanspruchen wollten. Während Massoud Kabul gegen massive Attacken verfeindeter Milizen verteidigte und sie schlußendlich besiegte, kristallisierte sich mit den Taliban eine neue Gruppierung heraus, die finanziell aus Pakistan und Saudi Arabien unterstützt wurde.
Beide Länder wollten sich ihren Machtanspruch in Afghanistan sichern und sahen diesen durch die Bewegung Massouds und die Anstrebung demokratischer Wahlen gefährdet. Pakistan entsandte schätzungsweise 28.000 pakistanische Soldaten, die Seite an Seite mit den Taliban kämpften.

Obwohl Massoud den Taliban schwere Verluste zufügte, musste er seine Truppen 1996 in den Norden Afghanistans zurückziehen.
Mit dem Einzug der Taliban begann auch deren Schreckensherrschaft. Sie verübten Zivilmassaker in der Größenordnung der Massaker im Bosnienkrieg, hatten bestimmte Brigaden zur Terrorisierung der Zivilbevölkerung und Frauen standen praktisch unmittelbar unter Hausarrest und verloren fast alle Rechte.

Wiederholt boten die Talbian später Massoud Machtpositionen an, die dieser jedoch aufgrund seinder Überzeugung ablehnen musste:


„Die Taliban sagen: 'Komm und akzeptiere das Amt des Ministerpräsidenten und schließe dich uns an, und sie würden das höchste Amt im Land, die Präsidentschaft, behalten. Aber für was einen Preis?! Der Unterschied zwischen uns liegt darin, wie wir über die grundlegendsten Prinzipien der Gesellschaft und des Staates denken. Wir können nicht ihre Konditionen für einen Kompromiss akzeptieren, sonst müssten wir die Prinzipien einer modernen Demokratie aufgeben. Wir sind fundamental gegen das System welches sich "das Emirat Afghanistans" nennt. ...
Es sollte ein Afghanistan geben, indem sich jeder Afghane und jede Afghanin glücklich fühlen kann. Und ich denke, dies kann nur durch eine Demokratie, die auf Konsens basiert, gesichert werden."
(Massoud, August 2001)


Massoud versuchte die von ihm in Norden kontrollierten Gebiete zu stabilisieren, richtete demokratische Institutionen ein und verfasste eine Deklaration, die sich offen für Frauenrechte aussprach.
Im Frühling 2001 sprach Massoud vor dem Europäischem Parlament und bat um Unterstützung der unterdrückten und vom Krieg verarmten afghanischen Bevölkerung.
Er beschrieb die Taliban als eine Vereinigung mit einer "sehr falschen Interpretation des Islam" und sprach offen über die Unterstützung, die diese aus Pakistan erhielten.
Gleichzeitig warnte er vor Anschlägen der Taliban auf amerikanischem Boden, die laut seinen Geheimdienstquellen unmittelbar bevorstanden.

Wie recht er damit haben sollte erlebt der charismatische Mujaheddin leider nicht mehr. Am 9. September 2001, 2 Tage vor den Anschlägen auf das World Trade Center, zünden zwei als Journalisten getarnte Selbstmordattentäter eine Bombe während eines Interviews mit Massoud, welcher wenig später seinen Verletzungen erlag.

Massoud ist ein wunderbares Beispiel, welches verdeutlicht, dass Afghanistan nicht der böse Staat schlechthin ist, sondern vielmehr ein Land, dass durch politische Auseinandersetzungen und lange Jahre des Krieges ausgezehrt und verwundbar wurde.
Es zeigt, dass bis vor dem ersten medialen Interesse an der Situation Afghanistans und den Taliban, es Widerstand im Land gab und auch heute noch gibt. Mit Ende des kalten Krieges schwand das Interesse an dem Land und es wurde sich selbst überlassen.



Wenn wir heute auf Afghanistan blicken und die Ankündigungen Barack Obamas im Hinterkopf haben die US-Truppen bis Ende des Jahres abziehen zu wollen, sieht man ein Land, welches erneut vom Krieg zerrüttet wurde. Die Taliban gibt es immer noch und es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie nach dem Truppenabzug aus den Bergen Pakistans zurückkommen, um erneut die Geißel Afghanistans verkörpern. Genau wie damals ist es die Zivilbevölkerung, die unter der Gewalt leidet und erneut steht ein Großteil des afghanischen Volkes zwischen politischen Fronten, die es selber nie in seinem Land haben wollte.



„Die künftige Regierung sollte in direkten Wahlen durch die Stimmen der gesamten Bevölkerung bestimmt werden. Männer wie Frauen sollten daran teilhaben. Die einzige Regierungsart, die in der Lage wäre, einen gesellschaftlichen Ausgleich der verschiedenen Ethnien zu schaffen, ist die Demokratie“. (Massoud)



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen