Dienstag, 10. Januar 2012

(Full of) antibiotics fried Chicken!

Alltag in der Notaufnahme:

Ein älterer Herr kommt hustend und sichtlich angeschlagen in das Behandlungszimmer. In der Anamnese erfahre ich, dass er seit etwa 4 Tagen produktiven Husten hat und sich schlapp und kraftlos fühlt. Lächelnd erzählt er mir, dass es zur kalten Jahreszeit ja kein Wunder ist, wenn man sich in der Bahn bei irgendwem was wegholt, so nah beieinander.
Die Atmung ist im Normalbereich, die Lunge rasselt leicht, ein Röntenbild zeigt jedoch, dass keine Infiltrate in den Lungenflügeln sind. Ich verschreibe dem Mann ein Antibiotikum (Amoxicillin), Ibuprofen gegen die Halsschmerzen und empfehle Inhalationen um den Schleim zu lösen.
Ich wähle bewusst ein Aminopenicillin, da dies die Erreger, die hier normalerweise am Werk sind gut abdeckt, ein Antibiotikum mit einem breiteren Wirkspektrum ist nicht nötig.
Ich wünsche ihm gute Besserung und dokumentiere meine Untersuchung und die verschriebenen Medikamente, damit sein Hausarzt nach dem Wochenende weiß, was der gute Mann erhalten hat.

Alltag in einer beliebigen Geflügeltierbatterie:

Der Tierarzt kontrolliert den aktuellen Bestand der Batterie und stellt bei einem der Küken einen bakteriellen Infekt fest.
Als Konsequenz erhält der gesamte Bestand ein Antibiotikum zum Futter beigemischt, da bei einem so engen Zusammenleben eine Epidemie sonst fast unvermeidbar wäre.
Weder der Veterinärmediziner, noch der Tierhalter sind verpflichtet, die verabreichten Medikamente an irgendeine amtliche Institution weiterzuleiten, nicht einmal dem Schlachtbetrieb muss Meldung gemacht werden, entsprechend steht auch auf keiner Verpackung welches Tier welche Medikamente im Lauf seines kurzen Lebens erhalten hat. In meiner Branche nennt man so etwas grob fahrlässig.

Durch den pauschalen Gebrauch des Antibiotikums bilden sich früher oder später resistente Keime in den Küken und somit auch Probleme für den Enverbraucher Homo sapiens, es beginnt ein circulus vitiosus, ein Teufelskreis, der uns Die Ergebnisse dieser aktuellen Studie auch erklärt.


Seit Jahren kämpfen Kliniken mit immer größer werdenden Problemen mit multiresistenten Keimen. Die durchschnittlichen Liegezeiten eines Patienten haben sich in den letzten Jahrzenten rapide erhöht, zuviele nosokominale (im Krankenhaus eingefangene) Infektionen und zuvor eingeschleppte resistente Erreger sind meine aktuellen Widersacher.
Zum einen sind daran falsche oder zu häufig verordnete Antibiotika Schuld, zum anderen aber vermutlich auch die Vorbelastung unserer Nahrung, die aus eben jenen Massenhaltungen stammt, dazu gehören Rinder, Hühner und Schweine.
96% dieser Tiere sind mit Antibiotika vorbehandelt, bevor sie auf unseren Teller kommen, in den USA erhalten Tiere und Menschen in etwa die gleiche Menge an Antibiotika, da fällt es schwer, sich noch zu wundern warum immer öfter Epidemien wie die Schweinegrippe und Co. die Runde machen.





Obwohl die Keime durch das Kochen zerstört werden, darf man den Fakt nicht aus den Augen lassen, dass auch in der Veterinärmedizin irgendwann einmal Schluss ist mit Reserveantibiotika und der Trend so wie bisher ganz klar in Richtung Bakterien geht, die auf Gedeih und Verderb zum Überleben gezüchtet werden.

Alexander Fleming würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er von der heutigen desolaten Lage, hat er doch damals das Penicillin nicht entdeckt, damit es bald nutzlos ist.

Doch wer genau trägt an all dem die Schuld?

  1. Der Veterinärmediziner, der seine ärztliche Arbeit korrekt verrichtet und nicht riskieren kann, dass ein ganzer Bestand und der Konsument gesundheitlich gefährdet ist? Verseuchtes "Gammelfleisch" hat noch keinem geholfen!
  2. Der Tierhalter, der ein finanzielles Interesse an dem Überleben möglichst vieler Tier hat und dessen Haltungsstil lediglich ein Produkt unserer Nachfrage ist?
  3. Die Gesellschaft, die Zustände wie diese schockierend findet, aber noch lange nicht so schockierend, wie wenn nicht jeden Montag frisches Hackfleisch im Supermarkt liegt?
In der freien Marktwirtschaft bestimmt in solchen Fällen meist die Nachfrage das Angebot und nicht umgekehrt, denn längst haben viele sich daran gewöhnt, das Biofleisch gekonnt wegen seinem Preis zu ignorieren und stattdessen das "ebenso gut" schmeckende Dumpingfleisch zu kaufen, der eigene Geldbeutel ist in diesen Momenten unmittelbarer als die Gesundheit und allein diese Tatsache macht die Massentierhaltung erst profitabel und möglich. Freilufthaltung kostet mehr, dauert länger, ist aber auch wesentlich gesünder für die Tiere.

Wer dafür nicht bereit ist zu zahlen entscheidet sich ähnlich bewusst wie beim Rauchen für die logischen gesundheitlichen Konsequenzen, da braucht es auch keinen Warnhiweis auf der Verpackung, der "gesunde" Menschenverstand möge hier eingesetzt werden.

Die Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen waren schon immer in etwa so sinnvoll, wie auf eine Pistole zu schreiben:

Vorsicht, verursacht ungesunde Löcher und kann  bei richtigem Gebrauch tödlich sein!

Ich frage mich wann auf unserem Gouda endlich steht:

Erhöht bei übermäßigem Konsum ihren Cholesterinspiegel und verstopft die Herzkranzgefäße, bon appetit!


Grundsätzlich gilt also, was schon Rammstein wusste und predigte:

Denn du bist, was du ißt!





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