Donnerstag, 21. Juli 2011

Das Ende einer Ära

Nachdem uns hier vor einiger Zeit der lustige Beitrag über den amerikanischen Radioprediger und sein Untergangsszenario amüsiert hat, wollen wir uns diesmal mit einer wesentlich weltlicheren Problematik auseinandersetzen. Denn die allgemein dahinter stehende Frage lautet doch: Wie geht es weiter? Und wie lange noch?




Schauen wir uns doch einmal die momentane weltpolitische Situation an: Griechenlandkrise mit eventuellen Auswirkungen auf das globale Finanzsystem, andauernder Krieg in Afghanistan, ausufernde Verschuldung der USA und Europas sowie der Arabische Frühling. All dies soll in diesem Beitrag nicht unmittelbar erläutert werden, aber dennoch gibt es ein kleines Wörtchen mit zwei Buchstaben, das das alles ebenfalls betrifft. Also widme ich mich diesem Ganzen, mit den Worten einer bekannten literarischen Figur ausgedrückt:

Daß ich erkenne, was die Welt // Im Innersten zusammenhält“ (Faust I, Vers 382 f.)

Denn nach dem Lesen dieses Textes geht es uns nicht wie dem armen Faust, der resignierend feststellte:

Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.
(Faust I, Vers 354 ff.)

Aber nun genug von literarischen Zitaten, zurück zu des Pudels Kern: Das kleine Wörtchen mit den zwei Buchstaben heißt ganz einfach: ÖL. Dennoch geht es weniger um Öl, sondern vielmehr um die Abwesenheit von ebendiesem. Worauf ich hinaus möchte, ist der so genannte „Peak Oil“. Und dieser wird kommen, das ist sicher. Eine Welt mit wachsendem Verbrauch und endlichen beziehungsweise einfach nicht schnell genug nachwachsenden Ressourcen wird früher oder später den Höhepunkt der maximalen Fördermenge überschreiten. Wenn wir es nicht sogar schon getan haben.

Leider kann ich euch aufgrund der Komplexität des Ganzen ein Bisschen Zahlen-Wirrwarr nicht ersparen, ich versuche mich aber auf das Nötigste zu beschränken. Was genau bedeutet denn zunächst einmal „Peak Oil“: Damit wird der Zeitpunkt bezeichnet, an dem das globale Ölfördermaximum erreicht ist. Sprich wann es nicht mehr möglich ist, die jährliche Förderrate weiter zu steigern. Immer wieder hört man in der Presse Aussagen über die ungefähre Höhe der weltweiten Ölreserven.

Woraus bestehen insgesamt die weltweiten Ölvorräte? Nun, zunächst mal muss man unterscheiden zwischen konventionellem Öl (das schwarze Gold aus den Bohrtürmchen) sowie unkonventionellen Rohstoffen. Dazu gehören vor Allem Ölsande, Ölschiefer, Tiefsee- und Polaröl. Deren Abbau ist in der Regel mit wesentlich höheren Kosten und höherem Aufwand verbunden als die Förderung konventionellen Rohöls. Von den ökologischen Folgen ganz zu schweigen. Die möchte ich aber gar nicht weiter ansprechen, das würde nun wirklich den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Könnte man durch eine Gegenüberstellung der weltweiten Reserven und der Förderrate auf der einen Seite und dem weltweiten Verbrauch auf der anderen Seiten also nicht einfach eine Rechnung aufstellen, für wie viele Jahre die vorhandenen Mengen noch reichen?

Nein, kann man nicht.

Auf der Haben-Seite muss man natürlich noch die neuen Vorkommen hinzurechnen, die jedes Jahr neu entdeckt werden. Hier kommt allerdings der erste Dämpfer: Denn die ASPO (Association for the Study of Peak Oil and Gas) weist nach, dass (mit kleinen Unterbrechungen) die weltweiten Neufunde seit dem Ende der 1960er Jahre kontinuierlich zurückgegangen sind, und dies obwohl sich seit dieser Zeit viel bei der Technik zur Auffindung neuer Lagerstätten getan hat:
Das heißt, unser Bonus der noch nicht entdeckten Vorräte schmilzt. Also gut: Dann stellen wir dieselbe Rechnung eben noch einmal auf und nehmen nur die Quellen, die wir schon entdeckt haben. Dann müsste es doch gehen, oder?

Nein, auch dann nicht.

Man muss sich klar machen, dass ein Ölfeld nicht einfach wie ein Wasserhahn zu handhaben ist, der an eine Leitung angeschlossen wird. Aufdrehen, leer-laufen-lassen, zudrehen funktioniert nicht. Dies liegt daran, dass diese Lagerstätten tief unter der Erde unter hohem Druck stehen. Wird ein Ölfeld angebohrt, so sorgt der hohe Druck zunächst einmal dafür, dass das Öl durch die Bohrung entweicht und sich seinen Weg Richtung Oberfläche sucht (eben entlang der Bohrung). Ähnlich einer mit Kohlensäure gefüllten Wasserflasche, die ihr schüttelt und dann aufdreht. Mit Pumpen kann anschließend weiteres Öl gewonnen werden. Dies nennt man Primärförderung.

Die daran anschließende Sekundärförderung arbeitet mit dem Einpressen von Wasser in das Ölfeld: Dadurch wird der Druck künstlich erhöht, was eine weitere Ausbeutung des Feldes möglich macht. Das Öl liegt aber in den seltensten Fellen als unterirdischer See vor, sondern kommt in so genannten Speichergesteinen vor. Der Einfachheit halber hier eine Definition von Wikipedia, die aber so als richtig anzusehen ist:

„Speichergesteine sind poröse oder klüftige Sedimentgesteine, in denen sich im Laufe der Erdgeschichte Erdgase und andere Kohlenwasserstoffe zu Lagerstätten angereichert haben. Die häufigsten Speichergesteine sind Sandstein, sandige Tonsteine und verschiedene Arten von Kalksteinen.“

Sollte auch das nicht mehr ausreichen, kann noch weiteres Öl durch die Tertiärförderung, zum Beispiel durch das Einpressen von Stickstoff oder Kohlendioxid, gefördert werden. Aber auch hier sind dem Ganzen technische Grenzen gesetzt. Insgesamt hängt also die tatsächliche Fördermenge, die man aus einem Ölfeld herausholen kann, von viel mehr Faktoren ab als nur von der eigentlichen Menge des Öls im Untergrund. Die tatsächliche Ausbeute, die bei einem Feld erreicht wird, liegt beispielsweise in Deutschland meist unter 50 %!

Warum erzähle ich euch das alles? Ich möchte herausstellen, dass die generellen Aussagen über die Menge des noch in der Erde befindlichen Öls nicht immer verwertbar sind. Was nützt es, wenn wunderbar große Zahlen über die Menge genannt werden, davon aber gerade einmal die Hälfte gefördert werden kann? Seltsamerweise ist davon in einschlägigen Medien aber nur sehr selten die Rede. Warum ist das so? Aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül. Hierzu die Aussagen eins Mannes, der eigentlich wissen sollte, wie es um die Menge der Ressourcen bestellt ist: Abdallah Dschumʿa ist der Geschäftsführer von Aramco, einer der größten Erdölfördergesellschaften der Welt. 2008 ließ er verlauten:

“we still have almost a century’s worth of oil under the conservative scenario…and nearly 200 years’ worth under the target scenario. As a result I do not believe the world has to worry about ‘peak oil’ for a very long time.”

So, Herr Dschum’a: Sie behaupten also die Ölreserven reichen noch mehr als ein Jahrhundert. Sind sie da sicher? Oder ist das das, was sie uns glauben machen wollen? Denn wie schon weiter vorne angedeutet, ist die Menge des Erdöls im Boden noch lange nicht die Menge des VERFÜGBAREN und für den Menschen NUTZBAREN Öles. Verstehen sie mich nicht falsch, dies ist kein Angriff gegen sie persönlich. Als Geschäftsführer eines der größten Unternehmen der Welt würde ich ebenfalls alles in meiner Macht Stehende tun um zu verhindern, dass sich die Welt Gedanken um eine als Konkurrenz empfundene Quelle zur Energiegewinnung macht. Ich vergraule doch nicht meine eigenen Kunden. Allerdings behauptet ihr ehemaliger Kollege, Sadad al Husseini, der ebenfalls bis 2004 eine führende Position bei Aramco innehatte, etwas anderes:

„There is a push-back to the notion that there is a plateau in world oil supplies which is largely based on lack of information or lack of research. In fact, if you look at published information—for example, British Petroleum’s annual statistical report—it very clearly shows that from 2003 forward,">oil production has hardly increased. So the information is there. If you look at some of the advertising that Chevron has been putting out for years now, they clearly say we’re half-way through the world’s reserves.”

In meinen Augen ist es sehr seltsam, dass gerade die OPEC-Länder, die einen entscheidenden Anteil an der weltweiten Ölförderung haben, dieses Thema bis jetzt gänzlich ausgeblendet haben und keine weiteren Aussagen machen als die lapidare Erklärung, es sei noch genug Öl für die kommenden Jahrzehnte vorhanden. Schon komisch oder?
Hinzu kommt noch die neueste Meldung, dass seit kurzem Venezuela (und nicht mehr Saudi-Arabien) die größten Ölreserven der Welt besitzt. Haben sie etwa neue, gigantische Felder gefunden? Mitnichten. Einzig die Berechnung der Reserven wurde geändert und beinhaltet nun auch unkonventionelle Rohstoffe, die nur unter wesentlich größerem Aufwand gefördert werden können. Hier könnte man jetzt einwerfen, dass es doch nichtsdestotrotz eine positive Meldung sei, dass diese Förderung nun im Bereich des Möglichen liegt. Oder man schaut sich das ganze von der anderen Seite an: Wenn nun schon solche Förderarten ernsthaft in Erwägung gezogen werden, zeigt das doch nur eines: Der Ölpreis wird weiter rapide steigen. Denn wenn sich eine Förderung nicht rentiert, wird sie nicht angegangen.
Diese unter extremen Maßnahmen zu fördernden Reserven sind keine positive Nachricht: Sie zeigen, zu welchen Mitteln mittlerweile gegriffen werden muss, um die konstante Fördermenge noch aufrecht zu erhalten (Quelle). Den Saudis wurde vor kurzem vorgeworfen, das Ölangebot künstlich knapp zu halten. Sie seien doch noch in der Lage, ihre Förderquoten noch zu erhöhen. Was, aber, wenn dem gar nicht mehr so ist? Was, wenn auch sie mittlerweile am Limit angekommen sind? All dies ist durch die Mauer des Schweigens, hinter der sich gerade die OPEC-Länder verstecken, kaum zu untersuchen.

Lassen wir die OPEC aber mal außen vor. Wie sieht es in anderen Ländern mit der Ölförderung aus? Insgesamt alles andere als berauschend:


Quelle, S. 11

So gut wie alle Länder dieser Grafik haben ihren Höhepunkt bereits hinter sich. Die dennoch weiter angestiegene Fördermenge ist zum Einen Neufunden in bisher nicht Erdöl-exportierenden Ländern zu verdanken, zum Anderen auch dem Fortschritt der Technik. Dass die Zahl der Neufunde weiter zurückgeht, wurde weiter oben ja schon dargelegt. Dazu kommt noch, dass sich auch die Technik nicht immer weiter perfektionieren lässt. Wenn ein Feld ausgequetscht ist, ist es nun mal ausgequetscht.

Wie ihr seht gibt es in diesem Komplex sehr viele große Fragezeichen. Was doch verwundert ist Folgendes: Nehmen wir mal an ihr baut ein Haus, würdet ihr dies auf einem Fundament tun, von dem ihr nicht die geringste Ahnung habt, wie lange es noch steht? Denn genau dies tun wir doch in den letzten 150 Jahren. Praktisch unsere gesamte Weltwirtschaft ist an die Verfügbarkeit des schwarzen Goldes gebunden. Und niemand hat wirklich eine Ahnung, wie lange dieser Rohstoff noch verfügbar ist. Bezieht man jetzt noch mit ein, dass in den großen Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien der Verbrauch in den nächsten Jahren noch wesentlich mehr ansteigen wird, kann sich der geneigte Leser ja mal Gedanken darüber machen, wo das hinführt. Jeder Mensch mit ein wenig gesundem Menschenverstand würde sich doch verstärkt nach Alternativen umschauen.

Eines möchte ich mit diesem Artikel nur klar machen: Es geht nicht darum, dass wir erst Probleme bekommen, wenn KEIN Öl mehr da ist. Die Probleme kommen wesentlich früher, und sie kommen sehr schnell und radikal. Man kann natürlich die noch unangetasteten Ölfelder sowie die unkonventionellen Rohstoffe anzapfen beziehungsweise ausbeuten, doch ist die Förderung dort wie schon gesagt wesentlich schwieriger. Wir haben schätzungsweise knapp die Hälfte des Öls in den letzten 150 Jahren verbraucht. Und das war die leicht zu fördernde Hälfte.

Außerdem gibt es die so genannte ERoEI-Kennziffer: eine Kennziffer zur Beschreibung der Effizienz von Energiequellen. Sie bezeichnet das Verhältnis von gewonnener Energie (energy returned, ER) zur aufgewendeten Energie (energy invested, EI): Wenn die benötigte Energie, die notwendig ist, um einen Liter Öl aus der Erde zu holen, größer ist, als die Energie, die aus diesem besagten Liter zu gewinnen ist, hat sich sämtliche Förderung erledigt. Einleuchtend, oder? Spätestens hier wird es unrentabel.

Wir sollten uns alle also einmal Gedanken machen, wie es zu besagtem Zeitpunkt weiter gehen soll. Und dies endlich mal in einem durchdachten Konzept, das nicht nur kurzfristige Erfolge einer langfristigen Umstrukturierung der Weltwirtschaft vorzieht (Beispielsweise das Einbringen von Notreserven im Juni diesen Jahres: Hierbei braucht man aber Mitarbeit verschiedener Stellen und Länder, die in vernünftigen Kontakt miteinander stehen. Und kein Verheimlichen, Vertuschen oder Verdrehen.

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