Donnerstag, 7. Juli 2011

Mein Krampf oder warum Stereotypen von gestern sind!

Vor wenigen Tagen wurde der alljährliche Verfassungsschutzbericht veröffentlicht. Über etwas mehr als 300 Seiten kann sich der geneigte Interessent über Themen wie links- oder rechtsradikale sowie generell extremistische Gewalt, verfassungswiedrige Organisationen oder Sinn und Zweck des Verfassungsschutzes informieren.

Dieser Bericht ist sinnvoll und wichtig, um Trends zu erfassen, die das stetige hin- und herschwanken der politischen Radikalen erfasst und Tendenzen hoffentlich frühzeitig aufzeigt. Entsprechend wird er auch jedes Jahr veröffentlicht und ist jedem frei zugänglich.

Laut Verfassungsschutzbericht gingen die Zahlen der Anhänger des rechtsextremen Spektrums von 26.600 Menschen (2009) auf 25.000 Menschen zurück, "Insgesamt geht das rechtsextremistische Potential zurück", so Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm.

Das sind erfreuliche Zahlen und an dem Bericht ist auch nichts auszusetzen, er ist faktenreich und sachlich. Jedoch lies es sich Innenminister Hans-Peter Friedrich nicht nehmen zu betonen, dass das Erscheinungsbild der Rechtsextremen weg von eindeutig identifizierbaren Merkmalen geht und sie mehr und mehr Wert auf normale Kleidung legen.
Fromm betont sogar: "Den Skinheads geht der Nachwuchs aus."

Zuallererst einmal sollte man meinen, dass der Verfassungsschutzpräsident vorsichtig mit einer solchen Formulierung sein sollte, denn gerade er sollte sich bewusst sein, dass die Skinheadszene keinesfalls eine reine Erscheinung der Rechtsextremen ist, ja sogar ihre Wurzeln nicht einmal in irgendeiner politischen Richtung hatte, mehr dazu hier!
Leider bestätigt diese leichtfertige Aussage einmal mehr, dass die Skinheadszene den nationalsozialistischen Stempel, denn ihr Presse und Rechtsextreme gemeinsam aufgedrückt haben, immer noch nicht und vielleicht nie los wird.

Doch der Kommentar Friedrichs bezüglich der Bekleidung ist ebenso sinnlos wie verwirrend.

Die Szene entwickelt sich weg von eindeutig identifizierbaren Merkmalen?
Entschuldigung, aber seit wann konnte man jemanden seine politische Gesinnung an der Kleidung ablesen?

Ein Beispiel:

Fast jedem Fan der Punkmusik wird die Band "Die Ärzte" etwas sagen. 1993 veröffentlichte eben jene Band ihre bald überall bekannte Single "Schrei nach Liebe", ein noch heute zeitloser Song gegen Rechts.
Im Jahre 1993 hatte der Rechtsradikalismus beängstigende Ausmaße angenommen, die Wiking Jugend, im Prinzip die Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend, existierte noch und auch sonst gab es viele offen agierende Gruppierungen, es galt also ein Zeichen zu setzen.
Aufgrund der Beliebtheit des Songs wurde ein Musikvideo produziert. In einem solchen Video muss man natürlich plakativ klarmachen, wer die Bösen sind, nur machten Die Ärzte schnell klar, dass sie nicht bereit sind echte Faschisten zu engagieren oder zu bezahlen.
Also kam man auf die Idee links orientierte, beziehungsweise unpolitische Skinheads für den Dreh zu gewinnen.
In der Skinheadszene wurde diese Idee damals durchaus kritisch aufgefasst. Das Image der Szene war durch die Medien, die keine feine Unterscheidung vornamen und froh über plakative Fotos waren schon schlecht genug.
Letzten Endes wurden die Darsteller überspitzt geschminkt um diese Problematik zu umgehen aber sie zeigt doch auf, wie schwierig das Thema Stereotyp für diese Szene ist.


Bis auf wenige eindeutig rechte Kleidungsmarken wie Thor Steinar oder Consdaple und die unter Rechtsextremen beliebten Zahlencodes 18 (AH = Adolf Hitler) und 88 (HH) war dem geneigten Gegendemonstranten schon seit längerem aufgefallen, dass die Klappspaten, die da auf der Gegenseite was von Rassenreinheit faseln häufig genau so aussehen wie jeder X-beliebige Sitznachbar in der Straßenbahn.

Manche Outfits zeugen eben auch nur von Dummheit

Wir müssen weg von dem Gedanken, dass politische Gesinnungen unmittelbar mit einem bestimmten Kleidungsmerkmal oder der Art wie wir unseren Bart stutzen zusammenhängen.
Längst ist es Alltag, dass Extremisten jeder Art wie selbstverständlich in dem Deckmantel der Masse verschwinden und das aus einem guten Grund:

Sie kommen aus eben jener.

Subkulturen und deren Erkennungsmerkmale unterliegen schon seit jeher einem ständigen Wandel und im Zuge der immer weiter fortschreitenden Verbindung der ganzen Welt durch Kommunikationsnetzwerke jeder Form verschnelzen viele dieser Erscheinungsformen.

Eine Musterlösung, wie man diese Problematik angeht gibt es nicht, wohl aber den warnenden Finger, der klarmachen soll, dass man praktisch nie jemand nach seinem Äußeren beurteilen soll, sondern den Menschen und dessen Ansichten dahinter betrachten sollte.

Glücklicherweise gibt es da einen recht einfachen Weg: Mit jemandem reden bevor man ihn vorschnell verurteilt!

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