Diesen Bildschirm hat wohl jeder von uns, der in Deutschland lebt, mehr als genug gesehen und mittlerweile ist die dahinter stehende Diskussion fast schon zum Politikum geworden.
Doch worum genau geht es eigentlich? Fassen wir kurz einmal zusammen wie alles begann:
Bis Ende 2009 bestand ein Vertrag zwischen youtube und der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) der für beide Seiten akzeptabel war. Genauere Details zu den Vergütungen sind schwer zu bekommen, aber man darf davon ausgehen, dass das Vergütungssystem sich mit dem anderer Länder deckt.
Da die neuen Tarifverhandlungen kein Ergebnis lieferten beschloss die GEMA im Mai 2010 mit 7 weiteren Musikautorengesellschaften Klage einzureichen und symbolträchtig 12 Musikwerke sperren zu lassen.
Viele deutsche Musikfans erlebten nun die Welle der schwarzen Bildschirme, youtube begann nämlich GEMA Stücke präventiv zu sperren um weiteren Klagen vorzubeugen. Unmut kam auf, war es doch in Frankreich und Großbritannien mit der SACEM und PRS, beides auch Verwertungsgesellschaften, möglich sich zu einigen und zwar im selben Jahr.
Die GEMA selber stellt sich hier als Unschuldslamm dar, mit Sätzen, die für die User nur schwer nachvollziehbar sind.
"Dass YouTube bei gesperrten Videos nun einblendet, die GEMA hätte die
Rechte nicht eingeräumt, stimmt so nicht: Fakt ist, dass YouTube diese
Rechte bislang einfach nicht erworben hat." (Quelle)
Das diese zwei Aussagen denselben Kern treffen ist schon betreffend für die Stagnierung der Verhandlungen, war es doch die GEMA, die rechtliche Schritte einleitete als die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten.
Doch darf man hier noch nicht einmal Kritik üben, es ist schließlich das gute Recht der Gesellschaft juristische Mittel bei einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung einzulegen. Doch warum klappt es in unseren unmittelbaren Nachbarländern und nicht bei uns.
Schauen wir uns das mal an:
Frankreich
In Frankreich einigten sich die SACEM und der Google-Tochterkonzern auf ein Pauschalvergütungssystem, welches vorsieht einen jährlichen Festbetrag an die Gesellschaft zu zahlen, die Möglichkeit der Gesellschaft Werbung zu schalten und damit zusätzlich Einnahmen zu machen wurde ebenfalls vertraglich festgehalten.
Wenn man sich vor Augen führt, dass youtube eine Plattform ist, die jeder umsonst und sooft wie möglich nutzen kann macht diese Art des Vertrages Sinn, schließlich kann youtube nicht gewährleisten, dass bestimmte Gruppierungen sonst durch sogenannte Bots, also computergesteuerte Zugriffe, die Aufrufzahlen künstlich in die Höhe treiben.
Doch auch hier hat die GEMA in Form eines recht einseitig geschriebenen Artikels eine Erklärung parat, warum dies indiskutabel für deutsche Verhältnisse ist:
"Da die GEMA das eingenommene Geld nach einem festen Verteilungsschlüssel an ihre Mitglieder
ausschüttet, benötigt sie präzise Nutzungsmeldungen darüber, welche Inhalte
innerhalb des YouTube-Angebots wie oft angeklickt wurden. Nur mit einer solchen
Statistik ist sichergestellt, dass die bei jedem Abruf anfallende Vergütung
an die berechtigten Urheber ausgeschüttet werden kann." (Quelle)
ausschüttet, benötigt sie präzise Nutzungsmeldungen darüber, welche Inhalte
innerhalb des YouTube-Angebots wie oft angeklickt wurden. Nur mit einer solchen
Statistik ist sichergestellt, dass die bei jedem Abruf anfallende Vergütung
an die berechtigten Urheber ausgeschüttet werden kann." (Quelle)
Übersetzt heißt dieses Zitat also nichts anderes, als dass der Abrechnungsschlüssel der GEMA eine Vergütung pro Zugriff vorsieht und man offensichtlich nicht bereit ist, diesen Schlüssel im Zuge einer immer mehr digitalisierten Gesellschaft zu verändern und modernen Verhältnissen anzupassen.
Großbritannien
Auch in Großbritannien gab es Neuverhandlungen und auch hier sperrte youtube initial viele Videos, aus Sicht der GEMA um die Gemüter anzuheizen, aus Sicht von youtube sicherlich um vielleicht rechtlichen Schritten vorzubeugen.
Eine Einigung wurde erzielt, nachdem sich auch Verbände wie die Featured Artists Coalition (FAC), the British Academy of Songwriters, Composers and Authors (Basca) eingeschaltet hatten und für die User und die Musik plädierten.
Auch hier beschreibt der Artikel der GEMA die Verhandlungen auf seine ganz eigene Art und Weise
"Angesichts der aufgeführten Beispielrechnung ist die Frage nicht ganz
abwegig, ob PRS unter dem Druck von YouTube eingeknickt ist und einen Vertrag
zu suboptimalen Bedingungen ausgehandelt hat. Beantworten muss sich
diese Frage letztlich jeder selbst." (Quelle)
abwegig, ob PRS unter dem Druck von YouTube eingeknickt ist und einen Vertrag
zu suboptimalen Bedingungen ausgehandelt hat. Beantworten muss sich
diese Frage letztlich jeder selbst." (Quelle)
Hierzu ein direktes Gegenzitat von Andrew Shaw, der managing director von PRS
"We hope it is the first of many deals with other services so that music
can get out there in whatever way people want to listen to it, while
making sure our members get paid"
Über die Inhalte der Verträge macht es wenig Sinn zu diskutieren, sind sie doch geheim und eine Grundsatzdiskussion auf spekulativer Basis ist mehr als fragwürdig, Fakt ist, dass es in beiden Ländern zu Einigungen kam, die auch die Nutzer mit berücksichtigten.
Doch beschäftigen wir uns einmal mit dem, zumindest aus ökonomischer Sicht, viel interessanteren Teil, den Umsatzzahlen der GEMA, seit Jahren hört man schließlich, dass Raubkopien und digitale Streamingservices, wie es youtube indirekt ist, dem Künstler das Geld aus der Tasche ziehen und die Arbeitsgrundlage nehmen:
Umsatzzahlen der GEMA
(Quelle) |
(Diese Zahlen beziehen sich wohlgemerkt auf die Geschäftsberichte der GEMA selber)
Die erste Zeile zeigt die Gesamtjährlichen Erträge der GEMA auf, auch dem nicht-Statistiker wird hier auffallen, dass die Erträge zwar nicht kontinuierlich aber dennoch steigend sind.
Der Anstieg der Erträge 2006 ist recht schnell einleuchtend, wenn man berücksichtigt, dass in diesem Jahr die Fussball WM im eigenen Land war!
Für das Jahr 2011 verzeichnete die GEMA einen Ertrag von 825.4 Millionen Euro und nennt als Hauptgrund für den Rückgang um 4,3%
"hauptsächlich auf die rückläufige Marktentwicklung für den Verkauf
von Tonträgern (Rückgang im Bereich Vervielfältigung:
T€ 34.782)" (siehe Geschäftsbericht 2011)
Im Bereich "Online" konnte die GEMA im Vergleich zum Vorjahr 2010 den Umsatz von 13.3 auf 21.2 Millionen Euro steigern.
Die abschließende Prognose fasst den Bericht recht gut zusammen:
"Für das Geschäftsjahr 2012 erwartet die GEMA eine konstante Ertragsentwicklung bei einem leichten Anstieg der Aufwendungen. Für die Erträge aus dem in- und ausländischen Tonträgerbereich wird auch für das kommende Jahr mit einer Fortsetzung der rückläufigen Marktentwicklung
gerechnet. Kompensiert werden dürfte dieser Ertragsrückgang durch die Entwicklung im Bereich
der Live-Musik sowie einen Anstieg der Online- Erträge." (Quelle)
gerechnet. Kompensiert werden dürfte dieser Ertragsrückgang durch die Entwicklung im Bereich
der Live-Musik sowie einen Anstieg der Online- Erträge." (Quelle)
Die effektive Ausschüttung an die Mitglieder betrug 2011 313.2 Millionen Euro, hält sich also recht konstant seit 2000 mit Schwankungen von etwa plus minus 20 Millionen Euro, trotz steigender Erträge.
Das heißt bei den Künstlern kommt am Ende genausoviel an wie vorher, weder youtube, noch der Cd Rohling oder Konzertmitschnitte haben daran etwas geändert, es fand lediglich eine Änderung der Ausschüttung statt, zugunsten der ordentlichen und zulasten der außerordentlichen Mitglieder.
Mit steigenden Erträgen und stagnierenden Auschüttungen an die Künstler darf sich also jeder selbst ein Bild davon machen in wessen Interesse es ist, möglichst viel Geld aus dem youtube Portal zu quetschen, viele Künstler wie etwa Deichkind oder die Ärzte haben längst begriffen, dass man Fans nicht durch Verbote und Klagen gewinnt sondern durch überzeugende Live Performance und Vertrauen.
So veröffentlichten Die Ärzte parallel zum Albumrelease Musikvideos zu jedem einzelnen Song auf youtube, umsonst und für jeden frei zugänglich, all das änderte nichts daran, dass das Album auf Platz 1 einstieg und sich gut verkaufte.
Abschließen möchte ich diese Betrachtung mit interessanten Geschäftsfakten verschiedener Gemalizensen:
Wussten Sie schon
,dass der Vergütungssatz für Musik bei Bestattungen 15 Euro je Bestattung beträgt?
explizit erwähnt wird, die Einwilligung hierfür rechtzeitig vorher einzuholen
(Bei Todesfällen nicht unbedingt einfach, am besten mit der Patientenverfügung besorgen)
"für die Übertragung der Musikwiedergabe in weitere Veranstaltungsräume oder auf weitere Veranstaltungsplätze [...]eine besondere Einwilligung erforderlich" ist
-->alles was über die Friedhofsmauer dröhnt braucht eine weitere Lizenz!
,dass die Vergütungssätze für Tanzvereine wie folgt aufgeschlüsselt werden:
Jährliche Pauschalvergütungssätze
a)Verein mit Tanzgarde bzw. Ballett/Zunft mit Ballett 191,30 €
b)Verein mit Tanzpaar 107,40 €
c)Verein mit Tanzmariechen 107,40 €
d)Verein mit Tanzgarde bzw. Ballett und Tanzpaar 266,10 €
e)Verein mit Tanzpaar und Tanzmariechen 191,30 €
f)Verein mit Tanzgarde und Tanzpaar und Tanzmariechen 342,10 €
g)Verein mit Tanzgarde und Tanzmariechen 266,10 €
, dass auch Urheber, die Interpreten ihrer eigenen Werke sind, sofern sie selbst als Veranstalter auftreten Veranstaltungsgebühren an die GEMA abführen
, dass Filmvorführungen je Videoeinzelkabine jährlich 226,40 Euro kosten?
, dass Erotikfilmvorführungen je Videoeinzelkabine jährlich nur 92,80 Euro kosten?
, dass bei der öffentlichen Nutzung von Unterhaltungs- und Tanzmusik die GEMA grundsätzlich so lange von einer lizenzpflichtigen Verwendung von Stücken aus dem GEMA-Repertoire ausgeht, bis der Nutzer der Musikstücke per ausgefülltem Musikfolgebogen die Nichtmitgliedschaft der Urheber in der GEMA oder die Gemeinfreiheit der Werke belegt. Die GEMA praktiziert damit eine unter dem Stichtwort GEMA-Vermutung rechtlich sanktionierte viel diskutierte Umkehr der Beweislast.
Jetzt schon! :)
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