Donnerstag, 19. Mai 2011

Plädoyer für Lars von Trier

Ein recht bekannter und von mir sehr geschätzter Komödiant hat einmal gesagt: "Deutsche sind ja wenn es um den Nationalsozialismus geht wie Kakerlaken wenn das Licht angeht....Zack und alle schreien WIR WAREN IM WIDERSTAND!!!"

Diese kurze Anekdote beschreibt meiner Meinung nach sehr gut die häufige Distanz mit der gerade Deutsche das Thema Zweiter Weltkrieg und Hitler angehen. Die "political correctness" nimmt ungeahnte Maße an und Stars und High Society Angehörige antworten am besten sowieso nur noch schriftlich per Anwaltschreiben, denn es gilt einen Ruf zu verlieren, nicht darum seine Meinung sachlich vorzutragen.

Es ist schon bemerkenswert, dass ein Thema, dass in jeder Hinsicht wichtig ist zu diskutieren und zu analysieren öffentlich von Personen die im Scheinwerferlicht stehen nicht einmal ansatzweise mit Samthandschuhen angefasst wird, da man hiermit vielen Gruppierungen schnell auf die Füße treten kann. In den allermeisten Fällen ist dies aber nicht ein Mangel an politischem und geschichtlichen Interesse seitens der Stars, sondern vielmehr die Intention der Presse, die hinter diesen Fragen steht.

So oder so ähnliche spielten sich wohl auch die Gedankenspiele im Kopf von Lars von Trier ab, als er gestern in einer Pressekonferenz der Filmfestspiele von Cannes saß.

Für die, die nicht viel mit dem Namen dieses Regisseurs anfangen können, Trier ist eine Art "enfant terrible" des Filmgeschäfts, seine Filme provozieren gerne, vor kurzem schockierte sein Film Antichrist, der eine recht derbe Genitalverstümmelungsszene enthält. Über seine Filme scheiden sich die Geister, viele vergöttern ihn als martialischen Künstler, andere tun ihn als fehlgeleiteten manischen Möchtegernregisseur ab. Doch zum Glück sind Geschmäcker verschieden und Kinobesuche basieren im Normalfall auf freiwilliger Basis.

Auch dieses Jahr präsentiert von Trier einen Film, der das Ende der Welt in einem sehr surrealen und teils verstörenden Setting präsentiert und in jedem Fall ein Anwärter für eine der begehrten goldenen Palmen gewesen wäre.

Die Betonung liegt auf wäre....

Denn auf der besagten Pressekonferenz stellte einer der Journalisten von Trier eine Frage die sich auf eine Äußerung von ihm vor Jahren bezog, in der er der damaligen Zeit des Nationalsozialismus eine gewisse Ästhetik abgewinnen konnte.

Wir sehen schon was für eine Art von Frage wir hier mal wieder gestellt wurde. Sie hat nicht ansatzweise was mit dem Film zu tun, den von Trier vorstellt, sie gehört auch nicht nach Cannes, den die Person von Trier ist eher unbedeutend, es sind die Filmprojekte, die die wahren Stars der Veranstaltung sind.

Was also genau sagte von Trier, das rechtfertigen würde ihn aus Cannes zu verbannen?

"Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass ich für eine lange Zeit dachte, ein Jude zu sein. Und ich war glücklich darüber. (...) Aber es kam heraus, dass ich kein Jude war. (...) Ich wollte wirklich ein Jude sein. Und dann fand ich heraus, dass ich in Wirklichkeit ein Nazi war, weil meine Familie deutsch ist (...) Und das bereitete mir auch etwas Vergnügen."

Ich sehe in diesem ersten Teil seiner Aussage nicht ansatzweise etwas Verwerfliches. Das einzige was er sagt ist, dass er davon ausging Jude zu sein und dann herausfand, dass seine Eltern deutscher Herkunft waren, jeder der von Trier schonmal auf einer Pressekonferenz erlebt hat, weiß, dass er gerne provoziert und sich gerne missverständlich ausdrückt, aber hier antisemitische Äußerungen reinzuinterpretieren ist schon schwer, doch schauen wir einmal weiter.

"Also, was kann ich sagen? Ich verstehe Hitler. Ich glaube, dass er ein paar schlechte Dinge gemacht hat, klar, aber ich kann ihn mir in seinem Bunker vorstellen, am Ende. Ich will sagen, dass ich den Mann zu verstehen glaube. Er ist niemand, den wir einen guten Kerl nennen würden, aber ich glaube, ihn als Mensch zu verstehen und habe auch ein bißchen Mitleid mit ihm."

So der ungefähre Wortlaut seiner Aussage, man möge bitte bedenken, dass von Trier Däne ist und auf Englisch antwortete, entsprechend sollte man vorsichtig sein, ihn wortwörtlich auseinander zu nehmen.

Doch was sagt er hier eigentlich? Es sagt, dass er Hitler als Mensch sieht und sich in ihn hineinfühlen kann. ist dies verwerflich?

Mit allem Nachdruck: Nein! Nicht ansatzweise!!!

Allein die Aussage, dass er die Situation in der Hitler gegen Ende des Krieges war versteht und nachvollziehen kann ist in keinster Weise eine politische Wertung seiner Taten, nicht umsonst betont er, dass Hitler kein guter Mensch war. Von Trier ist Regisseur es ist seine Aufgabe sich in Charaktere einfühlen zu können, unabhängig davon ob sie edle Ritter auf einem Roß sind oder Mörder.

Was ist denn zum Beispiel in der Hinsicht mit dem Oscar nominierten deutschen Film "Der Untergang" von Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel? Der Film zeigt Hitler ganze 150 Minuten in seinem Führerbunker und deckt durchaus menschliche Züge an ihm auf, ohne dabei zu werten. Musste Bruno Ganz sich nicht intensiver als die meisten von uns in diesen Menschen einfühlen? Schließlich spielte er Hitler und dies bestätigen viele positive Presserezensionen, so überzeugend wie kaum jemand zuvor.


"Die meisten Kritiker hat Bruno als Hitler sehr beeindruckt ." (Zitat Das Erste)


Wie geht es also weiter?


"Ich bin nicht für den Zweiten Weltkrieg, und ich bin nicht gegen Juden. Ich bin sogar sehr für die Juden. Oder nein, so doll nun auch wieder nicht. Schließlich geht einem Israel wirklich auf die Nerven."

Jeder, der diesem Kommentar noch für absolut ernst und ohne jegliche Provokation nimmt, hat zumindest als Journalist eindeutig seinen Job verfehlt. Spätestens ab hier versucht von Trier scherzhaft seine Aussagen zu relativieren, weil er merkt, welchen Strick ihm die Presse hieraus noch drehen wird. Und seine scherzhafte Anspielung auf den Nahostkonflikt mag durchaus geschmacklos sein, aber was spricht dagegen sarkastisch auf den Fakt anzuspielen, dass dieser Konflikt seit nunmehr 93 Jahren unzählige Menschenleben forderte?

"Wie komme ich aus diesem Satz nur wieder raus?"

Hier macht er relativ unmissverständlich klar, dass es dumm war überhaupt auf diese völlig aus dem Kontext der Situation gestellte Frage zu antworten. Es liegt auf der Hand, dass er nicht antisemitisch ist und auch sicherlich nicht dumm genug wäre, dies öffentlich auf einem solchen Podium kund zu tun. Er lacht, während er dies sagt, weil die Situation in der er sich befindet völlig absurd ist. Der Journalist, der eben diese Frage gestellt hat, reibt sich vermutlich gerade die Hände, weil diese Äußerung für alle engstirnigen Menschen dieser Welt eine neue Skandalschlagzeile bedeutet.

"Ich wollte nur sagen die Kunst, ich bin sehr für Albert Speer, er ist eines von Gottes besten Kindern und hatte ein Talent, welches ihm möglich machte........."

Und dann stöhnt von Trier resigniert und sagt lachend:

"Okay ich bin ein Nazi"

Im Hintergrund hört man die Journalisten lachen, denn sie verstehen, dass von Trier hier kapituliert und den Journalisten das gibt, was sie von Anfang an hören wollten. Den politischen Skandal der Geld in die Verlagskassen spült. neben ihm versuchte Kirsten Dunst, die Hauptdarstellerin seines aktuellen Filmes,

wegen dem er eigentlich da ist,

angestrengt wegzuschauen um bloß klar zu machen, dass sie nicht einer Meinung mit von Trier ist.

Speer bei den NürnbergerProzessen
Doch was hat er hier wieder falsches gesagt. Man mag von Albert Speer denken was man will, Fakt ist, dass er Nationalsozialist war und in fraglichem Umfang von den Deportationen jüdischer Bürger wusste, nicht ohne Grund saß er nach Kriegsende 20 Jahre im Gefängnis.  Er entging in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nur knapp der Todesstrafe, entscheidend waren Beweise, die zeigten, dass er gegen Kriegsende Vernichtungsbefehle Hitlers nicht weitergab und somit weitere Zerstörung verhinderte.
Es ist durchaus gerechtfertigt zu diskutieren ob Speer die Todesstrafe verdient hätte oder nicht.
Doch hierauf bezieht sich von Trier überhaupt nicht, er spricht von dem Architekten Albert Speer und es ist durchaus legitim sein Können in der Hinsicht positiv zu bewerten und wie am Anfang gilt auch für Architektur: Geschmäcker sind zum Glück verschieden.




Bild aus Riefenstahls Olympia
Wie sieht es denn beispielsweise mit dem filmischen Wirken von Leni Riefenstahl aus? Riefenstahl war überzeugte Nationalsozialistin und profitierte karrieretechnisch enorm unter dem Naziregimé, dies ist hinreichend belegt und historischer Fakt. Aber ändert das was an der Tatsache, dass gerade ihre Filme über die olympischen Spiele bis heute aufgrund ihrer Ästhetik gelobt, gezeigt und bewundert werden? Natürlich hattten die Filme propagandistische Züge und dem aufmerksamen Betrachter fällt schnell auf, dass bewusst farbige Teilnehmer der Spiele so selten wie möglich in Szene gesetzt wurden, dem kann man nicht widersprechen.
Aber darf man deshalb nicht sachlich über Dinge wie Kameraschnitte, Perspektiven und Optik des Films sprechen?

Dem Ganzen wird die Krone der Ironie noch aufgesetzt, wenn man berücksichtigt, dass Mel Gibson dieses Jahr erstmalig wieder an den Filmfestspielen teilnehmen darf. Gibson machte in letzter Zeit durch antisemitische Äußerungen gegenüber Polizisten auf sich aufmerksam, die ihn verhafteten weil er betrunken Auto gefahren ist:


"Verdammte Juden, die Juden sind für alle Kriege in der Welt verantwortlich." (Zitat Mel Gibson bei seiner Verhaftung)

Auch sein Film die Passion Christi sorgte für viel Aufregung, da er die jüdische Gemeinde in einem sehr schlechten Licht stehen ließ und ähnlich wie Werke von von Trier durch exzessive Gewalt in Bildern provozierte.

Die Äußerung von Gibson bedarf keiner Diskussion, denn im Gegensatz zu den Äußerungen von von Trier bleibt hier kein Raum für Interpretationen, der einzige mildernde Umstand ist, dass er......betrunken Auto gefahren ist und bedingt unzurechnungsfähig war.
 
P.s: Jeder Leser, der auch nur ansatzweise denkt, dass ich in diesem Artikel für den Nationalsozialismus spreche oder ihn befürworte, der sollte sich noch einmal die Überschrift durchlesen und bitte zur Kenntnis nehmen, dass er nicht ansatzweise verstanden hat, worum es hier geht.

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