Mittwoch, 26. Januar 2011

Ich bin ein Gladiator, mich holt hier keiner mehr raus!!

Wir schreiben das Jahr 2011 nach dem Typen, der dummerweise das Christentum begründete. Ganz Australien ist vermutlich von Australiern besetzt, die nur weil der Kachelmann das Wetter nicht mehr ansagt von etwa 200 Litern "heiter bis wolkig" pro Keller überrascht wurden.





Ganz Australien? Nein! Ein von unbeugsamen B bis F Promis besetzer kleiner Fleck von Erde hört nicht auf, den Abgeneigten bis Angewiderten Menschen dieser Welt gehörig auf den Zeiger zu gehen.

Gleich vorweg werde ich eine Sache völlig klarstellen: ich habe noch nicht eine einzige Minute von "Ich bin ein Star holt mich hier raus" gesehen und dabei wird es trotz dieses Artikels auch bleiben. Warum also trotzdem etwas drüber schreiben? Weil es selbst einem Menschen wie mir, der praktisch kein Fernsehen mehr schaut (aus guten Gründen) unmöglich ist sich dem Marketingwahn diesem Witz von Konzept zu entziehen. Ein entsprechendes Kompliment geht also an die Genies hinter der Werbekampagne: Jungs, besten Dank, dass ihr die Dummheit schön verpackt unters Volk bringt.

Das Grundprinzip der Sendung ist so simpel wie es anscheinend effektiv ist. Man nehme:

Backe, backe Kuchen...dieses Rezept versetzt ganz Deutschland in einen Rausch!
1. Mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten, darunter:
a) Ein Boxenluder, das es für 50 cent vermutlich mit dem ganzen Camp inklusive Drehteam treiben würde
b) Einen Öko, der am besten seit Ewigkeiten nicht mehr duscht und ind em Camp seine erste längere Bleibe seit Jahren sieht
c) Einen "Casting-Star", am besten direkt bei Dieter oder Heidi für nen Fuffi abgezwackt, in der Erwartung, dass er oder sie ständig heult, sich ekelt oder Streit schlichtet zwischen dem Öko und...
d) Einem Arschloch, vorzugsweise einen ehemaligen Big Brother Bewohner oder einen Ex Sträfling, der alle ständig beschimpft und nach der ganzen Sache seine nicht selbst gesungene Single veröffentlicht Marke "Du bist mei Stern Alde". Klasse wäre auch, wenn jemand, wie damals sehr wohl geschehen, einfach noch vor der Sendung den Adler (sprich Hitlergruß) macht und dazu die erste Strophe der Nationalhymne singt, das bringt Quoten, solange man moralisch so flexibel wie Plexiglas ist sind und wenn es zuviel Ärger gibt schmeißt man denjenigen einfach raus, das gibt auch wieder eine gute Quote

2. Den nackten Kampf ums Überleben...
Welcher in einer von Sicherheitspersonal abgeschirmten und gesicherten ehemaligen Farm voller Kameras, künstlichem Dschungel und Elektrokabeln stattfindet.
Ich warte ja ernsthaft auf das erste youtube Video wo ein Tourist von Kongo-Kannibalen gefangen genommen wird und noch im Topf schreit: Ich bin ein Star holt mich hier raus!

3. Ein Moderationsteam, dass durch glohrreiche Sendungen wie "Der schwächste fliegt" oder "Die Pro Sieben Märchenstunde" Meilensteine des deutschen Fernsehens entworfen haben. Diese Sendung ist somit nur ein weiterer Stern am glohrreichen Himmel der Vernunft und Schauspielgilde.

Das simple Konstrukt, dass ich da eben ohne zu wissen wer überhaupt je in diesem Camp war aufgestellt habe, funktioniert in leichter Abwandlung für sämtlichen Casting-Dreck der privaten Sender. Jede dieser Sendung fängt die plumpe Sensationsgier der Menschen durch Bloßstellung und Demütigung anderer. Gut zu wissen dass der gute alte Pranger, an dem man im Mittelalter Diebe und ähnliches Gesindel öffentlich demütigte und mit faulem Gemüse bewarf seinen Weg in die ach so morderne fortschritliche Welt gefunden hat.
William Pyne - The Costume of great Britain (1805)


Ist das wirklich sehenswert? Ist das eine geistreiche Sendungen, die es rechtfertigt 50 Prozent der gesamten Einschaltquote zu erhalten? Ist dies wirklich das Sinnvollste was uns einfällt mit einem Medium zu veranstalten, dass weltweit umspannend ist und soviel mehr sein könnte als Unterhaltung auf dem Niveau eines 2-jährigem.

Decimus Iunius Iuvenalis, seinerseits ein römischer Satirendichter des 1. und 2. Jahrhunderts sagte einmal über die Gladiatorenkämpfe:

 „Munera nunc edunt et, verso pollice vulgus cum iubet, occidunt populariter“
„Nun geben sie Gladiatorenkämpfe und, wie der Pöbel es mit gedrehtem Daumen verlangt, töten sie volkstümlich.“
Pollice Verso von Jean-Léon Gérôme 1872

Mit dem kleinen Unterschied, dass das Töten heutzutage nicht mehr gesellschaftlich so akzeptiert ist (ist vermutlich auch leider nur eine Frage der Zeit), wie im alten Rom und die Römer wenigstens raus ins Colosseum mussten und nicht wie wir auf der Couch gammelten, sind wir nicht viel weiter als dieses uralte Grundprinzip, das ebenfalls von Juvenal stammt:

„Panem et circenses"
„Brot und Spiele"

Juvenal kritisierte in der damaligen Zeit, dass das römische Volk trotz einer gut funktionierenden Republik seine Macht an Feldherren und Beamte abgegeben habe und nun machtlos und entkräftet nur noch nach eben diesen dürstet. Die Kaiser wussten sehr wohl die Macht solcher Massenunterhaltungen. Kaiser Trajan sagte einmal:

populum Romanum duabus praecipue rebus, annona et spectaculis, teneri"

„dass das römische Volk insbesondere durch zwei Dinge, Getreide und Schauspiele, sich im Bann halten lasse"
Heutzutage ist das nicht anders. Mit dem Unterschied, dass Brot als Sinnbild für Nahrung zumindest in den Industrieländern kein Problem darstellt. Also bleibt nur noch das Schauspiel um den "plebs" dumm und ruhig zu halten. Und hier haben wir das beste Beispiel, dass genau diese Rechnung aufgeht.

Dieses ganze Konstrukt beweist einmal mehr wie sehr die Intendanten verschiedener Sender ihre Macht rein von der Quote abhängig machen, eine Frage nach dem "Sollte man das machen" oder "ist das moralisch vertretbar" würde für Mitarbeiter in einigen Sendungen vermutlich dasselbe bewirken wie die sinnbildhafte Formel "Ich bin ein Star holt mich hier raus: Man wird rausgeschmissen.  

Es läuft etwas falsch in der Medienbranche wenn das Verhältnis zwischen Information und Unterhaltungswert so schräg liegt, dass mir ein Jugendlicher den kompletten Cast von DSDS und dem Dschungelcamp aufsagen kann, bei der Frage nach dem "Gorch-Fock Skandal" (dazu vielleicht ein andermal mehr) verschämt grinst und fragt "wer denn mit wem was hatte".


Es gibt so viele falsche Dinge die in der Welt geschehen und wenn man sich nur mit einigen wenigen mal selbstständig beschäftigt und sich eben nicht mit dem zufrieden gibt, was einem aufbereitet wird, so erkennt man schnell, dass Fernsehen durchaus mehr beibringen kann, als zu sehen wie die Gladiatoren unter den Promis Kakerlaken verspeisen.

Die Gladiatoren hatten übrigens damals im Gegensatz zu den Promis keine Wahl, sie waren Sklaven.
Mit jedem gewonnen Kampf wuchs ihre Beliebtheit, womit also ein erfahrener Gladiator mit hoher Anhängerschaft (Quote) deutlich bessere Chancen hatte vom Publikum (Zuschauern) oder Spieleveranstalter (Cäsar/Dirk Bach) begnadigt (oder weiter entwürdigt) zu werden. Das Überleben eines erfahrenen (hemmungslosen) Kämpfers (Campbewohners) lag durchaus im Interesse des Publikums (Zuschauers), denn so waren weitere spannende Kämpfe (Staffel 1-5) auch für die Zukunft gesichert.

Es ist immer gut, mit einem starken Zitat zu schließen, also zitiere ich hier einen Kritiker, der ähnlich wie ich seinen Missmut über das Fernsehen zum Ausdruck bringen wollte. Die wohlgemerkt etwas gekürzte Rede ist von Marcel Reich-Ranicki, als er ürsprunglich den deutschen Fernsehpreis entgegen nehmen sollte:

Marcel Reich-Ranicki

„Heute bin ich in einer ganz schlimmen Situation. Ich muss auf den Preis, den ich erhalten habe, irgendwie reagieren. Der Intendant Schächter sagte mir: „Bitte, bitte, bitte nicht zu hart! Ja, in der Tat. Ich möchte niemanden kränken. Niemanden beleidigen oder verletzen. Nein, das möchte ich nicht. Aber ich möchte auch ganz offen sagen: Ich nehme diesen Preis nicht an.




Ich hätte das werden Sie irgendwie denken und sagen früher erklären sollen. Natürlich! Aber ich habe nicht gewusst, was hier auf mich wartet. Was ich hier erleben werde. Ich gehöre nicht in diese Reihe der heute vielleicht sehr zu Recht Preisgekrönten.



Wäre der Preis mit Geld verbunden, hätte ich das Geld zurückgegeben. Aber er ist ja nicht mit Geld verbunden, ich kann nur den Gegenstand (...) von mir werfen. Ich kann das nicht annehmen. (...) Nein, ich will Ihnen jetzt nicht sagen, ich will Bücher hören von Goethe oder Bertolt Brecht. Man kann im Arte-Programm manchmal sehr viele schöne und witzige Sachen sehen.
Ich habe auch früher wichtige Sendungen im 3sat-Programm gesehen. Aber das hat sich jetzt geändert. Meist kommen da schwache Sachen – aber nicht der Blödsinn, den wir hier zu sehen bekommen haben. Ich will nicht weiter darüber reden.... „

Ich auch nicht mehr!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen